08.06.2021

Wie geht’s weiter mit der Einrichtungsbranche?

Der Einrichtungshandel zählt zu den Gewinnern der Krise - sagt man. Wieso das nicht ganz stimmt und wie die Zukunft des Einrichtungshandels punkto Smart Home und Nachhaltigkeit aussieht, erklärt der Präsident des europäischen Verbandes des Einrichtungshandels – FENA im Interview.

Text und Interview von Anna-Maria Felbermayer, Content & PR Management

 

Roman Eberharter ist Präsident des europäischen Einrichtungshandels (FENA) und Geschäftsführer eines Bettenfachgeschäftes im Zillertal. Am 29. Mai war er zu Gast beim Trend Talk des „Wohnen & Interieur Day@Home“. Ein exklusives Interview über die aktuelle Situation des europäischen Einrichtungshandels, Einrichtungstrends und die Zukunft der Möbelbranche.

 

Reed Exhibitions: Herr Eberharter, Sie waren beim Trend Talk des „Wohnen & Interieur Day@Home“. Wie war`s für Sie im Studio? 

Roman Eberharter: Der „Wohnen & Interieur Day@Home“ ist ein spannendes, informatives Format mit einer einzigartigen Atmosphäre. Natürlich war es etwas ungewohnt vor der Kamera zu stehen und nicht am Messestand, aber es hat Spaß gemacht. Meiner Meinung nach wird sich die Digitalisierung auch im Messewesen einspielen. Solche Formate haben in Verbindung mit physischen Messen Zukunft, sozusagen als hybride Messen. Denn es ist fraglich, ob die Reisetätigkeit wieder so unbeschwert stattfinden wird, wie noch vor drei Jahren. 

Wie gestaltet sich die aktuelle Situation im Einrichtungshandel?

Eberharter: Der Einrichtungshandel ist mit Sicherheit ein Gewinner der Krise in fast allen Ländern Europas, auch wenn es da und dort kleine Unterschiede gibt. Einige Sparten unseres Sektors mussten jedoch auch mit Umsatzrückgängen kämpfen. 

Welche Sparten waren das?

Eberharter: Hotelausstatter, Objekteure sowie Industrie- und Büroausstatter standen vor großen Herausforderungen. Aktuell fordern die markanten Preissteigerungen und die Lieferproblematik die gesamte Branche noch mehr als letztes Jahr mit noch nicht abschätzbaren wirtschaftlichen Folgen. Diese Herausforderungen haben wir noch die nächsten ein bis zwei Jahre zu bewältigen. 

© Reed Exhibitions 
Roman Eberharter, Präsident des europäischen Verbandes des Einrichtungshandels – FENA im Gespräch. 

Welche Länder haben besonders profitiert?

Eberharter: Der Osten und Süden Europas waren sicherlich stärker betroffen als Italien oder Spanien. Diese Länder hatten sehr hohe Infektionszahlen und intensive, lange Lockdowns zu verzeichnen. In Mitteleuropa und im Norden Europas ist es etwas „besser“ gelaufen. 

Deutschland verzeichnete anfangs ja auch einen Boom, was man so hört…?

Eberharter: Richtig, nach den ersten Schließungen gab es im Sommer einen großen Aufschwung. Dann hatte Deutschland einen sehr langen Lockdown mit einhergehenden Verschiebungen der Fristen, was dem Handel schadete. Ich bin zuversichtlich, dass der „Grüne Pass“ in Europa sowie der Impffortschritt sicher helfen, das Reisen wieder anzukurbeln. Dann wird sich die Frage stellen, inwiefern sich das Reisen auf die Einrichtungsbranche auswirkt und wieviel Geld für die eigenen vier Wände ausgegeben wird. 

 

© Reed Exhibitions 
"Nachhaltigkeit ist überhaupt die Mutter aller Zukunftsthemen", so Roman Eberharter.

Wie lautet also Ihre persönliche Prognose?

Eberharter: Meiner Meinung nach wird das Reisen heuer stark zunehmen, aber noch nicht das Niveau vor der Krise erreichen. Viele Einrichtungshäuser sind mit ihren Planungen monatelang ausgebucht, sowohl für den Objektbereich als auch für den Privatbereich. In zahlreichen Regionen Europas findet umfangreicher Wohnbau statt, und jede neue Wohnung braucht Mobiliar und Einrichtung. Daher denke ich, dass unsere Branche in den nächsten Jahren gut wirtschaften wird. Ob Zuwächse im nächsten Jahr zu verzeichnen sein werden, kann jedoch noch nicht abgeschätzt werden.

Welche Trends gibt es aktuell im Einrichtungsbereich?

Eberharter: Es wird immer nachhaltiger gekauft, hybride Möbel sind stark im Kommen, da Homeoffice ein Stück weit bleiben wird und Arbeitsplatz und Wohnraum verschmelzen. Zudem wird mehr Wert auf die Schlafqualität gelegt, das Kochen und das gemeinsame Beisammensein mit Freunden zuhause wird jedenfalls bleiben. Aus meiner Sicht kommt im Zuge der Digitalisierung noch ein großes Thema hinzu: Smart Home bzw. Smart Living. 

 

Smart Home als große Chance für den Möbeleinzelhandel?

Eberharter: Definitiv. Der Einrichtungshändler wird zum Planer von ganzen Wohnungen. Es gibt nämlich viele technikaffine Endkunden, die zu bedienen sind. Nicht nur die jüngere Generation, sondern auch ältere Personen wollen sich heutzutage mehr Komfort und Sicherheit leisten und im Energiebereich besser aufstellen. 

 

Das bessert auch die Nachhaltigkeit…

Eberharter: Richtig. Nachhaltigkeit ist überhaupt die Mutter aller Zukunftsthemen. Nachhaltigkeit kommt von unten, also vom Endkunden sowie von oben, von der Politik. Wir als Interessensvertreter müssen uns mit klaren Botschaften positionieren. Wir befürworten ein grünes, nachhaltiges und digitales Europa. Uns ist wichtig, dass dies jedoch nicht mit Verpflichtungen, Mehrkosten und mehr Bürokratie einhergeht. Nachhaltigkeit muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette gedacht werden - vom Produzenten der Rohstoffe bis zum Endkunden - der Handel ist ein Teil davon. Nur gemeinsam kann es gelingen, unseren Planeten nachhaltig zu gestalten, und für unsere Kinder und Kindeskinder auch einen lebenswerten Planeten zu ermöglichen.

 

Das ist ein sehr schöner Schlusssatz :-) Danke für das Gespräch!