06.04.2022

Wie sieht die Küche der Zukunft aus?

Unsere Esskultur vollzieht sich einem Wandel. Welche Auswirkungen das auf unsere Küche und unser Kochverhalten hat, verraten Foodtrendexpertin Hanni Rützler und Marketingkauffrau Christiane Pauli. Ein Blick durch das Schaufenster in die Zukunft der Küche. 

Text und Interview von Anna-Maria Felbermayer, Content & PR Management

 

Hanni Rützler setzt sich als Gesundheitspsychologin und Ernährungswissenschaftlerin seit über 20 Jahren mit dem Wandel der Esskultur auseinander. Die weltweit bekannte Foodtrend-Forscherin hat gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Christiane Pauli das Netzwerk „Futurekitchen“ aufgebaut. Christiane Pauli ist Impulsgeberin und mit ihrer Marketingagentur fest verankert in der Küchen- und Lebensmittelbranche. Ein Interview über Foodtrends und Ideenansätze zur Küche der Zukunft. 

RX: Sie beide sind die Gründerinnen der „Futurekitchen“. Wie kam es dazu?
Christiane Pauli: Hanni und ich haben uns 2019 auf einer Küchenmesse in Köln kennengelernt, wo sie als weltweit bekannte Foodtrendexpertin einen Vortrag gehalten hat. Ich habe dort mit meiner Marketingagentur eine Sonderschaufläche konzipiert. Es ging um Futurefood, ein für uns beide sehr spannendes und wichtiges Thema. Ein Jahr später haben wir die „Futurekitchen“ ins Leben gerufen.

Was ist die Vision Ihres Unternehmens?
Pauli: Unsere Esskultur vollzieht sich einem Wandel. Wir essen anders, daher wird das Essen auch anders zubereitet und gelagert. Infolgedessen braucht es neue Möglichkeiten in der Küche. Wir beraten, unterstützen und inspirieren die Küchenindustrie, wie die Küche der Zukunft aussehen kann.

Wie kann man sich das genau vorstellen?
Hanni Rützler: Küchen haben sich im Laufe der Zeit von der Struktur her wenig verändert. Es gibt zwar immer neue Farben, Formen, Materialien, und ein neues Design, aber in der Konzeption der Küche hat sich in den letzten Jahren wenig bewegt. Wir möchten uns gemeinsam mit den Akteuren der Küchenbranche mit dem gesellschaftlichen Wandel auseinandersetzen und die Küche zukunftsfitter machen.

© futurekitchen
Genuss und Lebensfreude ist ein zentrales Thema bei der Esskultur.

Welcher Wandel ist aktuell erkennbar?

Rützler: Ich betrachte immer auch die Ebene der Megatrends, also komplexe Veränderungsdynamiken die über mehrere Jahrzehnte andauern. In Coronazeiten waren Trends wie Gesundheit und Digitalisierung sehr präsent, das beeinflusste wiederum die Lebensmittelauswahl und die Art, wie eingekauft wird. Wir stellen uns die Frage, was das wiederum für die Küche heißt. Welche Schnittstelle beispielweise zwischen Lieferung und Küche existieren könnte, wenn wir Lebensmittel liefern lassen.

Könnte das eine Speisekammer sein, welche für Lieferanten zugänglich ist?
Rützler: Ja genau. Der Lieferdienst hat dann zum Beispiel Zugang zu einer Art Speisekammer und stellt die Speisen direkt hinein, so können auch Kühlung und Warmhaltung garantiert werden. Des Weiteren beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir mit unserer neuen Arbeitsmobilität leichter leben können. Welche Möglichkeiten gibt es zwischen Remote Working - also die berufliche Tätigkeit, die an jedem beliebigen Ort erledigt werden kann – und dem fixen Arbeitsplatz? Wir müssen hier einfach weiter in die Zukunft denken. 

Welcher Wandel ist bei Foodtrends erkennbar?
Rützler: Ich schreibe gerade am aktuellen Food Report, und da zählte ich über 40 verschiedene Foodtrends. Aktuell verschiebt sich einiges auf der Foodtrend Ebene, das ist sehr lebendig. Da findet eine Fusion aus global und lokal statt. Es wird weltweit neu verhandelt, auch durch den Krieg in der Ukraine.

Was hat sich beim Kochen verändert? 
Rützler: Beim Kochen hat sich enorm viel geändert. Da gibt es einerseits das klassische Kochbuch, das Schaufenster, wo man sich Inspiration holt. Tatsächlich wird aber mehr auf diversen Internetportalen - je nach Lebensphase und Kochstil - gesucht. Die zunehmende Individualisierung ist auch ein Megatrend, der sich in der Größe der Haushalte zeigt. Ein Singlehaushalt kocht anders als eine Familie mit Kindern. Es gibt kaum Küchen, die diese verschiedenen Lebensphasen reflektieren, dass eine Küche mitwachsen kann, dass man Teile von Wohnung zu Wohnung mitnehmen kann oder Oberflächen erneuern kann.

Die Bepflanzung in der eigenen Küche, Stichwort „Minifarm“ soll stark im Kommen sein…
Rützler: Ja, Indoor Farming liegt im Trend. Es gibt eigene Gerätschaften, mit denen Salate in inneren Räumlichkeiten gezogen werden können. Es ist ein steigender Bedarf zu beobachten, nicht nur Blumen anzupflanzen, sondern auch Gemüse und Salate. In den USA wurden im Jahresvergleich weit mehr Gemüsesamen als Blumensaatgut gekauft. Das heißt nicht, dass wir jetzt in einen neuen finanziellen Notstand gehen, sondern dass diese Nähe zur Lebensmittelproduktion stark gewünscht ist. Diese Magie Sachen selber zu machen, ein Stück Autarkie zurückzuerobern, aber auch zu sehen, wie etwas wächst, rückt in den Fokus.

Inwiefern lässt sich der Nachhaltigkeitsgedanke mit Indoor Farming verbinden?
Rützler: Diese Hightech Geräte brauchen natürlich Energie. Die Alternative ist Lowtech. Damit meine ich Wintersalate, die draußen auf der Terrasse ohne Heizung und Glashaus angebaut werden können. Da wird derzeit viel geforscht, und es ist noch viel zu entdecken und zu lernen.

Welchen aktuellen Foodtrend finden Sie besonders spannend? 
Rützler: Aktuell explodieren Fleischersatzprodukte. Es wird nicht nur der Pilz an sich gezüchtet, sondern auch das Mycel, also die fadenförmigen Zellen eines Pilzes. Außerdem wird versucht Milch nachzubauen, aber nicht von der Kuh produziert, sondern mithilfe von gentechnisch veränderten Hefen. Durch Präzisionsfermentierung werden Milchbestandteile gewonnen, die ursprünglich nur vom Tier aufgebaut werden konnten.

Was ist für Sie wichtig beim Essen?
Rützler: Genuss und Lebensfreude ist beim Thema Esskultur ein ganz zentrales Thema. Gemeinsame Mahlzeiten geben uns Halt und Struktur in schwierigen Zeiten. Ich glaube, dass wir auch wieder lernen sollten, mit einfachen Produkten gut zu kochen und der Wertschätzung für dieses Handwerk wieder Ausdruck zu verleihen. 

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wie ernähren Sie sich? 
Rützler: Ich bin ein Flexitarier, also ich esse Fleisch, aber selten. Außerdem bin ich ein überdurchschnittlich großer Gemüse- und Salat-Fan. Ich bin bewusst an einen Wochenmarkt in Wien gezogen, weil es einfach mehr Spaß macht, dort einzukaufen.
Pauli: Wir essen auch relativ wenig Fleisch und wenn wir Fleisch essen, dann kaufen wir es regional. Bei uns wird auch sehr viel gekocht, zum Beispiel die Küche nach Levante – die habe ich durch Hanni kennengelernt.