20.05.2022

Nachhaltig bauen, umweltbewusst leben! Österreich trotzt dem Klimawandel - mit vereinten Kräften

Wie werden wir in Zukunft wohnen, leben und dem Klimawandel die Stirn bieten? Umweltfreundliches Bauen kennt die Antwort - und die diesjährige Bauen+Wohnen macht Lust auf Nachhaltigkeit. Was tut sich schon - und wer sind die Akteure?

Text von Lilian Amina Derndler, BA, Content Management

Wer umweltfreundlich bauen oder sanieren möchte ...

... muss viele Aspekte gleichzeitig im Kopf behalten. Neben Energieeffizienz und ökologischer Qualität stellen Wohnkomfort und hochwertige Ausführung Bauherren vor Herausforderungen. Mit Fragen wie:

- Welche Maßnahmen lohnen sich?
- Welche Energieträger sind sinnvoll?
- Welche Fördertöpfe gibt es?

u. v. m.

Zudem kein Haus isoliert im luftleeren Raum steht. Sondern neben seinem Ressourcen- und Energieverbrauch auch durch seinen Standort direkten Einfluss auf die Umwelt nimmt. Wieso das denn? Z. B., weil seine Bewohner am Stadtrand wohnen. Wer mehr pendelt, erhöht das Verkehrsaufkommen insgesamt. Nachhaltiges Bauen, das diesen Namen verdient, denkt also nicht nur an das Gebäude als solches, sondern auch an die Effekte, die sein Bau oder seine Sanierung auslösen. Das öffentliche Interesse an klimafreundlichem Bauen ist immens - und daher künftig Teil der OIB-Richtlinien. So heißt das technische Regelwerk, das hinter den Bauordnungen in Österreich steht.

Was ist nachhaltiges Bauen? Kriterien

Eine Bauindustrie, die moderne Erkenntnisse zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit ignoriert, wird über kurz oder lang zum Problem fürs Klima. Aktuell gehen ca. 40 Prozent des EU-Energieverbrauchs, etwa jeder zweite Transport, um 35 Prozent aller Abfälle sowie 30 Prozent vom gesamten CO2-Ausstoß auf das Konto der Baubranche. Um ein Bewusstsein für den Lebenszyklus zu wecken und Innovationen anzustoßen, müssen Ergebnisse der Bauforschung gelebte Baupraxis werden. Akteure der Baubranche wie Investoren, Planer, Architekten, Baustofferzeuger und Bauträger, aber auch Kommunen, Wissenschaftler, interessierte Bürger und Bauherren gehören dazu an einen Tisch. Nachhaltiges Bauen, das nicht im Klein-Klein steckenbleibt, geht mit vorhandenen Ressourcen bewusster um als bisher - über die komplette Wertschöpfungskette von Bau- und Immobilienwirtschaft. Dabei minimiert klimagerechtes Bauen nicht nur den Energieverbrauch, sondern denkt ganzheitlicher - und das in dreifacher Hinsicht. Erstens: Ein Gebäude sollte ökonomisch Sinn machen - über seinen gesamten Lebenszyklus. Zweitens muss seine Errichtung ökologisch nachhaltig, also ressourcen- und umweltschonend sein. Und drittens ist nachhaltiges Bauen sozial, vergisst also auch die Gebäudenutzer nicht. Eventuell hatten auch Sie persönlich ein Schreiben der Behörden im Briefkasten? Dann wurden Sie als einer von 100 Österreichern ausgewählt, um als Klimarat-Mitglied konkrete Klimaschutzmaßnahmen für die Politik auszutüfteln.

Baubranche: Cradle-to-Cradle Prinzip - von Produktion bis Entsorgung

Neben Ökologie, Ökonomie und Sozialem im Planen und Bauen spielen auch Technikprozesse eine Hauptrolle. So bedient sich nachhaltiges Bauen Materialien wie z. B. Beton aus Recycling: Urban Mining tritt an, wertvolle Ressourcen von Gebäuden und Infrastruktur noch weitere Male einzusetzen. Nachhaltigkeit senkt auch den Energiebedarf und vermeidet Transportkosten - durch die Entscheidung für regionale Bauteile und Baustoffe. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) setzt auf konsequente Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie, von Produktion mithilfe erneuerbarer Energien über Nutzung bis Entsorgung - von Keller bis Dach, Bodenbelag bis Fenstersystem. Spätestens jetzt wird klar: Nachhaltiges Bauen ist ein unerhört komplexes Thema! Zu wichtig, als dass jeder Beteiligte nach Fasson und Gusto weiterwurschtelt. Um objektiv zu bewerten, was wirklich nachhaltig ist, braucht es Zertifzierungen, über die sich alle einig sind!

Bitte weitersagen! Klimawandel als staatliches Großprojekt

Je nach Gebäudetyp braucht es unterschiedlichste Nachhaltigkeitskriterien - entwickelt durch unabhängige Experten. Je nachdem., wie gut ein Projekt diese erfüllt, wird Engagement für nachhaltiges Bauen mit Gold, Silber oder Bronze belohnt. Seit 2009 will die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) - mit seinen Experten aus Bauwirtschaft, Bildung und Planung - die österreichische Bauwirtschaft mit besserem Know-how zu nachhaltigem Bauen ausrüsten. Wer dabei punkten kann, bestimmt seit 2004 ein Bewertungssystem gemeinsam mit klimaaktiv Bauen und Sanieren. Energiewende schaffen!, lautet das Motto dieser Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) seit 2004. Klimaaktiv stellt, ergänzend zu Klimaschutzvorschriften, mit Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung, Forschung, Bürgern und Interessensvertretungen Qualitätsstandards auf die Beine. Alle wichtigen Multiplikatoren, vom Energieberater bis zum Architekten, sollen über die nötigen Green Skills verfügen - und ihr Know-how zu neuesten Energieeffizienz-Technologien weiterverbreiten. Die Strategie: Marktanteile klimafreundlicher Technologien sollen im Sinne besserer Gebäude-Energieeffizienz gesteigert und Treibhausgasemissionen langfristig heruntergefahren werden.

Ökologisch(er) Bauen: Hero Materials & Co.

Auch der FH Campus Wien ist mit im Boot und fragt z. B.: Wie erreicht man, dass ein Haus im Laufe seines Lebenszyklus möglichst wenig Energie verbraucht? 12.000 Personen aus der Bauindustrie wurden befragt; eine Wissensplattform soll den Austausch zu Methoden ökologischen Bauens befeuern. Als Bauingenieur ein Material nur deshalb verbauen, weil "wir das schon immer so gemacht haben"? Damit soll Schluss sein. Stattdessen treten so genannte Hero Materials wie Kork auf den Plan. Wer dabei "Pinnwand" denkt, ist auf dem Holzweg. Kork ist als Baumaterial, Bodenbelag oder Dämmstoff hoch angesagt - weil gering beim CO2-Ausstoß, wohlriechend und von beruhigender Akustik. Auch jeder Kubikmeter Holz bindet eine ganze Tonne CO2. Kein Wunder, dass - laut einer Studie der Universität für Bodenkultur Wien - bereits jedes vierte Hochbauprojekt im Österreich in Holz Gestalt annimmt. Der naturnahe Baustoff und Raumklima-Regulator ist recyclebar, sein Brandverhalten berechenbar und das Wohnerlebnis behaglich. Und gekühlt wird ein Haus künftig so, wie es die Griechen schon immer taten - über eine weiße, reflektierende Fassade oder doppelschichtige Farben, deren untere Schicht Infrarotlicht streut.

Umweltbewusst leben = autark leben

Um energieautark zu leben, müssen Sie nicht in ein Tiny House . Denn prinzipiell hat jedes Haus das Zeug, autarke Versorgungsideen zu nutzen. Wie beim Wasserverbrauch: Täglich verbraucht ein österreichischer Haushalt im Schnitt 140 Liter pro Person, doch wir trinken davon nur 0,02 Prozent. Den Rest spülen wir die Toilette hinunter oder bewässern den Rasen damit. Bei der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich ist man überzeugt: Für WC, Garten oder Waschmaschine reicht Regenwasser völlig aus - die entsprechende Regenwasser-Nutzanlage amortisiert sich schnell. Bis zu 50 Prozent an Trinkwasserkosten lassen sich so sparen. Wasser aus Sanitäranlagen wird gefiltert und zur Bewässerung genutzt; wer eine Komposttoilette hat, kompostiert Fest- und Flüssigstoffe getrennt. Per Holzofen oder Wärmepumpe zu heizen, macht ebenfalls ein gutes Stück autark. Bei Photovoltaik-Nutzung wartet erzeugte Heizwärme im Langzeitspeicher auf ihren Einsatz. Sie erzeugen Ihren Strom autark? Dann ist auch die Warmwasseraufbereitung gesichert. Leistungsstarke Speichertechnologie sorgt dafür, dass Sie auch bei Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz an trüben Tagen nicht im Dunkeln sitzen.

Auf welchen sonstigen Säulen ruht Bauen für eine gute Klimazukunft?

Neben Energieeffizienz und den richtigen Baustoffen gehören auch Mobilität und Lebensqualität dazu. Gute Gebäudeplanung berücksichtigt Mobilitätsbedürfnisse, indem sie nicht nur Parkplätze baut, sondern auch Fahrradstellplätze, Radwege und öffentliche Verkehrsmittel im Blick hat. Barrierefreiheit, Leben im Grünen und Spiel- und Freizeitorte vor der Haustür bieten Nutzern der eigenen vier Wände die begehrte Lebensqualität. Dabei gewinnt gemischte Nutzung - mit Wohnen oben und Dienstleistungen wie Kinderbetreung oder Shopping unten an Bedeutung; Längst finden Arbeiten und Wohnen nicht mehr in räumlich strikt getrennten Zonen statt!

Jetzt umweltfreundlich bauen? Förderungen

Falls Sie Ihre Heizung umweltgerecht nachrüsten möchten, aber nicht wissen, wie Sie die Kosten stemmen sollen: Der Staat fördert Heizungen, die über erneuerbare Energieträger oder Fernwärme laufen mit Programmen namens "Raus aus Öl und Gas" oder "Sauber Heizen für Alle" gem. § 6 Umweltförderungsgesetz (UFG). Dies gilt nicht nur für Eigentrümer, sondern auch für Mieter. Vorausgesetzt, der zu sanierende Wohnraum ist Hauptwohnsitz sowie zwanzig Jahre alt oder älter. Bei Eigenheimen sind Wärmepumpe bzw. Biomasseheizungsanlage mit einer Solaranlage zu kombinieren.

Was bestimmt, ob nachhaltiges Bauen die Kriterien für eine gute Ökobilanz erfüllt?

Zu den Kriterien, die für eine gute Ökobilanz sprechen, zählen

- Ressourceneffizienz
- Energieeffizienz
- Ganzheitlichkeit
- gute Wohn- und Arbeitsqualität
- guter Beitrag zu Stadtbild und Landschaftsschutz

Sprich, die Gebäude der Zukunft sind nachhaltig, lebenswert und unabhängig von Kohle, Öl und Gas, so dass ein CO2-neutraler Betrieb garantiert ist. Außerdem berücksichtigt die Bewertung von Bauprojekten Gesundheit, Komfort und die Umweltverträglichkeit der Baustoffe, Wirtschaftlichkeit über die Lebensdauer des Gebäudes, Standortqualität und die Möglichkeit, umweltverträglich mobil zu sein. Das 1000-Punkte-Konzept der klimaaktiv Gebäudestandards ist eine Erfolgsgeschichte: In ganz Österreich wurden bereits über 1.200 Gebäude nach den strengen Kriterien des Klimaschutzministerium eingestuft.

Oberösterreich: Klimaschutzministerin verleiht Gütesiegel

Im April 2022 hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sechs oberösterreichische Projekte mit dem in Europa einzigartigen Gütesiegel für klimafreundliches Bauen, Sanieren und Planen ausgezeichnet. Gebäude, die als leistbar und zukunftssicher gelten, von Hotel über Büro und Wohnhausanlage bis Bildungszentrum. So gewinnen im Ergebnis alle: Bewohner, Nutzer, heimische Wirtschaft und Klima! Über die Plakette in Gold durfte sich die Niederlassung des Unternehmens Viega in Attersee am Attersee, das 3* plus Business & Tourist Hotel in Lenzing sowie ein Reihenhaus in Prambachkirchen freuen. Silber gab es für das Verwaltungsgebäude Greif 2000 in Wels, Bronze ging an ein Wohnprojekt in Vorchdorf und den Gebäudekomplex Quadrill am Gelände der Linzer Tabakfabrik.

Gut für die Umwelt, aber unbezahlbar? Nachhaltiges Bauen hat keine Nachteile

Wie das Ausstellerspektrum der diesjährigen Bauen+Wohnen Messe zeigt, engagiert sich das Baugewerbe mit Unternehmergeist und Innovationswillen dafür, ihre Kunden für zukunftsfähiges Bauen zu begeistern. Ja, noch sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Aber die Kunden von morgen verlangen mehr als das Altbekannte - und viele möchten als Bürger den Wandel mitgestalten sowie selbst profitieren. Nicht zuletzt deshalb, weil es gilt, finanziellen Zusatzbelastungen wie durch steigende Energiepreise etwas entgegen zu setzen. Die Baubranche selbst kann hier entscheidende Überzeugungsarbeit leisten - und dabei auch beweisen: Nachhaltiges Bauen und Sanieren muss kein kleines Vermögen kosten! Und die Betriebskosten sind auf lange Sicht weit niedriger: Wer hier investiert, spart sogar Geld!