08.09.2021

How to survive: Winter auf der Baustelle

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Dem Traum vom eigenen Haus steht nun nichts mehr im Weg, die Finanzierung ist abgeschlossen, der Baustart erfolgt und die Arbeit in vollem Gange. Dann auf einmal der Blick zum Himmel: Es schneit in dicken Flocken. Der erste Schnee löst bei den meisten Jubel aus. Häuselbauern hingegen, deren Rohbau noch nicht komplett fertiggestellt ist, läuft trotz Daunenjacke der kalte Schauer über den Rücken. Was also tun? 

Text von Lilian Amina Derndler, Content Management

Früher legten die Handwerker beim ersten Kälteeinbruch sämtliches Werkzeug nieder. Heute sitzt der Zeit- und Gelddruck im Nacken der Baufirmen - ein Stillstand wegen der hereinbrechenden Kälte ist somit oft einfach nicht möglich. Doch wer denkt, dass die Arbeiter schlichtweg der Kälte nicht trotzen konnten, der irrt: Die meisten Baustoffe dürfen nur bei bestimmten Temperaturen und Luftfeuchtigkeits-Werten eingesetzt werden. Mit den fallenden Temperaturen steigt aber das Risiko von Frostschäden und dadurch bedingtem Schimmelbefall. Aber no panic, wir haben für Sie die Überlebenstipps für Baustellen im Winter zusammengefasst.

Im Bauvertrag den Winter unbedingt beachten

Vorsorge ist besser als Nachsorge: Vorab sollte im Bauvertrag festgehalten werden, wie im Winter agiert wird, bei wem welcher Zuständigkeitsbereich liegt und vor allem, wer die Kosten dafür trägt. Bauherren sollten am Beginn der Bautätigkeit vereinbaren, dass die Baufirma im Winter heizen sowie lüften muss, um das Haus möglichst trocken zu halten. Passiert dies nicht, da die Baufirma dies verabsäumt, können schwere Schäden entstehen, die Zeitverzögerungen und Zusatzkosten verursachen. 

Liebes Tagebuch,… 

Es empfiehlt sich, ein Bautagebuch zu führen und die Außen- und Raumlufttemperatur zu dokumentieren. Denn nicht alle Baustoffe lassen sich bei jeder Temperatur einsetzen. Im Zweifelsfall ist es auch immer von Vorteil, das Bautagebuch mittels Fotos zu unterstützen. 

Auch das Winterfestmachen der Baustelle sollte im Bauvertrag genau geregelt sein. Denn da der Bauherr das Grundstück besitzt, haftet er auch dafür. Somit muss auch immer an Warnschilder vor Dachlawinen sowie Streuung der Gehwege gedacht werden.

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Rohbau im Winter

Nicht nur die inneren Werte zählen

Wer sich nach einem Check der Innen- sowie Außentemperatur in Sicherheit wiegt, den müssen wir leider enttäuschen. Denn auch die Temperatur der einzelnen Baustoffe sowie -teile ist entscheidend. Diese müssen bei der richtigen Temperatur gelagert werden. Beachtet man dies nicht, kann Folgendes passieren: Durch die Kälte besteht die Gefahr, dass sich ihre Form verändert. Dies kann bei ansteigenden Temperaturen nach dem Einbau dazu führen, dass sie sich verziehen. 

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Bauen im Winter: eine echte Herausforderung

Lifesaver: Lüften und trocknen

Gerade, wenn vor dem Winter der Estrich eingegossen oder die Innenwände verputzt wurden, ist höchste Vorsicht geboten. Denn Feuchtigkeit und Winter sind keine besonders verträglichen Zeitgenossen. Die Nässe muss aus dem Haus entweichen können, um schwerwiegende Schäden abzuwenden. 

Bautrockner und Entfeuchter sind hierauf Antwort und Lösung. Diese sollten in allen Etagen aufgestellt werden - den Dachboden nicht vergessen! Experten empfehlen ein bis zwei Geräte pro Stockwerk. Für die Trockner gibt es keinen Winterschlaf: Diese müssen 24 Stunden, sieben Tage die Woche im Einsatz sein. Zusätzlich muss mittels Heizgeräten eine stabile Temperatur von mindestens zehn Grad Celsius erreicht werden. 

“Fenster auf” ist die Devise: Unterstützend sollte mindestens 15 Minuten pro Tag stoßgelüftet werden.

Luken dichtmachen

Auf das Dachgeschoss wird bei den Trockengeräten oft vergessen, aber es birgt noch eine weitere Gefahr: Häufig ist es noch nicht vollständig ausgebaut und gedämmt. Somit kann Wasser ungehindert ins Innere des Neubaus gelangen. Schuld daran trägt wiederholt das nicht verschlossene Treppenloch. Die Feuchtigkeit führt in den allermeisten Fällen zu Schimmelbefall. Diese Nachlässigkeit muss später teuer bezahlt werden: Wenn es hart auf hart kommt, sind manchmal sogar ganze Dachbalken auszutauschen. 

Wie kann man dies verhindern? “Macht die Luke dicht!” Dies geschieht am besten durch eine Lukentüre oder alternativ durch eine Folie. 

Liegt zwar auf der Hand, aber um es dennoch zu erwähnen: Auch Fenster und Türen müssen sorgfältig abgeklebt werden, um den Feind -  die Feuchtigkeit -  nach draußen zu verbannen. 

Am Bau gilt die 5G-Regel

Die G-Regeln sind derzeit in aller Munde, gelten aber am Bau schon viel länger: Fünf Grad ist für viele Baustoffe die Temperaturgrenze, bei der die Arbeit mit ihnen niedergelegt werden sollte. Besonders bei Beton, Mörtel und Putz empfiehlt es sich, sie bei kälteren Temperaturen in die Winterruhe zu schicken. 

Unter null Grad sollte auf alle wasserhaltigen Baustoffe verzichtet werden. Denn diese werden unter diesen Bedingungen nicht mehr ausreichend fest und bekommen daher später schneller Risse. 

 

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Extremsitatuion: Arbeiten im Winter am Bau

Warme Herzen arbeiten am besten

Neben all den bautechnischen Tipps darf man eines nicht vergessen: Die Arbeiter auf Baustellen sind im Winter teilweise Extremsituationen ausgesetzt. Denn trotz aller Heizgeräte ist es immer noch eiskalt und die Finger werden nach kurzer Zeit klamm. Umso größer wird die Freude sein, wenn Sie heiße Getränke vorbeibringen und vorab schon mit dem Baumeister vereinbaren, dass ein Container auf dem Grundstück aufgestellt werden darf, wo sich die Arbeiter aufwärmen können. 

Grundsätzlich muss man sich schon im Vorhinein gut überlegen, ob nicht ein Baustopp während des Winters sinnvoll wäre. Entscheidet man sich aber gegen eine Winterpause, sollten auf jeden Fall die oben genannten Tipps beachtet werden, um im Nachhinein massiven Zeit- und Geldmehraufwand zu verhindern. 

Schließlich lohnt es sich für Ihr Traumhaus ja auch, ein bisschen länger zu warten.